Erzählen
   

Wo sind die Erzähler, die vom Leben künden, von Freude und Leid, vom Werden und Vergehen, vom Tanz der Schöpfung, die Lust machen zu leben - die einzige Pflicht, die sie haben. - Verlorengegangen scheinen sie, vergessen, so wie wir vergessen unseren Ursprung und unsere Einbindung in alles Sein. Die Geschwätzigkeit und Wichtigkeit, die sich des Theaters bemächtigt haben, haben weder Ausstrahlung noch schöpferische Kräfte die Menschen immer wieder zu leben zu weisen.

Wir finden Erzähler dort, wo er (das Nichts) selbst-los mit Worten und Klängen und mit »Händen und Füßen« »lebt«. Er kann überall sein: auf der Straße, im Café, der Freund an meiner Seite - an einem Ort, wohin viele kommen, um ihn zu hören.

Erzählen - Die zweite Schöpfung

Die erste Schöpfung ist uns beschert - von Gott oder wie immer wir die Urkraft des Lebens nennen - sie ist das was ist - sichtbar und unsichtbar. Wir sind Teil dieser Schöpfung - und haben als einzige Lebenswesen die Möglichkeit, in ausgeprägter Form sich ihrer bewusst zu sein. Die Schöpfung ist nicht abhängig davon, ob wir sie für gut oder schlecht befinden. Der Erzähler weiß das. Er kann von ihr erzählen – ihm sind Worte und Klänge und Gesten gegeben, vom Leben, von der Schöpfung zu berichten.

Indem er erzählt von ihr, dem Sein Klang verleiht, und indem er von dem berichtet, was wir Liebe, Trauer, Sehnsucht, Kummer und Tod nennen hebt er gleichzeitig diese Beurteilungen des nicht zu Beurteilenden auf und bringt das Leben zum Klingen. Der erzählende Mensch schafft Lebendigkeit, musiziert auf den Instrumenten, die uns gegeben und schafft die Schöpfung damit jede Sekunde neu.

Erzählen ist die zweite Schöpfung. Einer Erzählung lauschen ist das gleiche.

Erzählen und spielen

Wir nennen Spielen das absichtslose Sein. Es ist nichts anderes als das Sein. Wir nennen es nur so, weil wir auch das Sein mit Absicht kennen, etwas tun, um etwas zu erreichen. Aber beides ist das gleiche. Es gibt nichts anderes als das Sein. Nur unsere Bewertungen sind unterschiedlich, ändern können sie nichts an der Tatsache, dass es nur sein gibt.

Es gibt nichts anderes als das Sein. Die Vorstellung des Schauspielers, er sei etwas anderes ist irrig. Er ist nie etwas anderes als er selbst - mag er es auch glauben - indes ist er wohl immer mehr als er glaubt. Er ist alles. Der Erzähler weiß, dass er alles ist. Er ist der Erzähler (ein Nichts), er ist gleichzeitig Rotkäppchen und der Wolf, er ist der Wald und der Wind, Gott und Teufel und gleichzeitig niemals etwas anderes als er selbst. Er verlebendigt alles - immer wieder neu - indem er erzählt.

Der Erzähler kennt keine Trennung zwischen privat und Spiel/Theater, - er kennt kein darstellen und kein spielen, keine Rollen. Er verkörpert Sein und schafft es neu. Verwandt ist er weniger dem modernen Schauspieler als dem alten Weisen, dem Seher. Der Erzähler ist nie etwas anderes als er selbst. Wie sollte jemand etwas anderes sein als er selbst? Aber er ist gleichzeitig alles. Wie jeder alles ist.

So gibt es auch kein Theater. Indem wir etwas Theater nennen, beschneiden wir das Ereignis seiner schöpferischen Kraft, reduzieren es auf Kunst. Kunst ist Produkt einer gelangweilten, das Leben in seiner Gänze nicht begreifenden und akzeptierenden Gesellschaft (geworden).

Der Erzähler macht keine Kunst. Er verkörpert, erzählt, er lebt. Und ist damit Schöpfer. Als Kind der Schöpfung hat er göttliche Schöpfergaben - so wie es die erste Schöpfung gedacht. Er ist sich dessen gewahr. Dieses Gewahrsein schließt Demut und Wissen um seine unendliche Kraft ein.

Es gibt nichts zu lernen, Bemühungen sind hinderlich - es gibt nur wieder zu entdecken die schöpferischen Fähigkeit, die uns mit auf dem Weg gegeben. Und das Herz - das unser aller ist - als Quell aller unserer Erzählungen zu erkennen. Jede andere Absicht wäre töricht.

 
     
 

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